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Prävention
Vernetzung
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Prävention ist neben der Repression die zweite starke Säule im Haus des Jugendrechts. Wir versuchen auf die Folgen von Straftaten aufmerksam zu machen und Hilfestellungen zu geben, um bei gefährdeten jungen Menschen zukünftiges Fehlverhalten oder die Verfestigung einer „kriminellen Karriere“ zu verhindern.
Prävention ist Aufgabe von Polizei und Jugendamt. Im Haus des Jugendrechts ist auch die Justiz dabei eingebunden und übernimmt damit eine neue Rolle.
„Dieses Haus macht nur Sinn, wenn es eingebettet ist in ein ganzes System von Vorsorgemaßnahmen, wenn es selbst als Vorsorgemaßnahme begriffen und gestaltet wird“
Damaliger Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster, am 7. Juni 1999, zur Eröffnung
Die Inhalte der Prävention waren durch die ursprüngliche Planung nicht vorgegeben, sondern konnten selbst gestaltet werden. Die Bedürfnisse und Anforderungen wurden vor Ort, in den Schulen, in den Jugendhilfeeinrichtungen und an den Treffpunkten der jungen Menschen, erlebt und zeigten uns die drängende Aufgabe, auch hier neue Wege zu entwickeln.
Die breit gefächerte Präventionsarbeit wird aus personellen Gründen hauptsächlich von der Polizei geleistet und umfasst mit ihren ganzen Anforderungen jährlich über 3000 Stunden.
In den Stadtteilen sind 20 Schulen, von der Förderschule bis zum privaten Gymnasium, vier Jugendhäuser, Mobile Jugendarbeit und vier Träger der Hilfen zur Erziehung angesiedelt.
Die Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen sind wichtige Kooperationspartner, mit denen wir in ständigem, vertrauensvollem Kontakt stehen. Dort verbringen die jungen Menschen viel Zeit, sozialisieren sich und sind auch für uns am besten erreichbar.
Die präventive Arbeit kann gerade hier passgenau entwickelt, angesetzt und nach sich verändernden Einflüssen modifiziert werden, um Früchte tragen zu können.
Alle Schulen hatten von Beginn an feste Ansprechpartner bei der Polizei. Ausgerichtet am Bedarf der Schulen wurde schon im Jahre 2000 die ereignisunabhängige „Schulsprechstunde“ entwickelt.
Die Schulsprechstunde ist über das gesamte Schuljahr fest planbar, z.B. jeden zweiten Dienstag, ist die Polizei während der großen Pause und wenn notwendig während der anschließenden Schulstunde für die Schüler/-innen, das Lehrerkollegium und die Eltern präsent. Die Schulen stellen uns dafür einen Raum zur Verfügung, so kann mit den Gesprächspartnern in Ruhe über jedes Thema in entspannter Atmosphäre gesprochen werden.
„Es hat sich gezeigt, dass ein hoher Informations- und Unterstützungsbedarf zu strafrechtlichen Fragen und zu Konflikten an Schulen insgesamt besteht. Insgesamt betrachtet sind die Schulsprechstunden als ein umfassendes Beratungsangebot durch das Haus des Jugendrechts anzusehen, das neben der Prävention auch Maßnahmen zur Krisenintervention und Konfliktlösung initiiert“
Feuerhelm/Kügler – Das Haus des Jugendrechts in Stuttgart Bad Cannstatt, Ergebnisse einer Evaluation
Mit den Schulleitungen wurden spezielle Vereinbarungen im Hinblick auf Schulschwänzer und Absprachen über Informationswege bei Gewaltvorkommnissen im Schulbereich getroffen. Die Telefonnummern der jeweiligen Ansprechpartner dienen so als „Notfallnummern“.
Der Anspruch des Haus des Jugendrechts ist, immer sofort zu reagieren, wenn um Hilfe oder Beratung nachgefragt wird.
In der Praxis ist es üblich, dass wir nach einem Anruf der Schule umgehend dorthin fahren und die Maßnahmen, etwa nach einer Körperverletzung oder einem Diebstahl, direkt vor Ort in Kooperation treffen. Dabei kann es auch notwendig werden, unmittelbar einen Präventionsunterricht in einer Klasse zu halten.
Präventionsunterrichte und Projekttage werden in den Schulen, Vereinen und Jugendhilfeeinrichtungen vor allem zu den Themen „Gewalt und Eigentum“ sowie zu dem immer wichtiger werdenden Thema „Medienkompetenz und Medienverwahrlosung“ im Bereich Handy und Internet durchgeführt und begleitet.
Seit Jahren wird in den Schulen die polizeiliche Präventionsveranstaltung „Wehr Dich mit Köpfchen –Selbstvertrauen durch Selbstbehauptung“ für Mädchen und Jungen der 4. und 5. Klassen vorgestellt. Die Nachfrage ist hoch. Den Kindern werden über theoretische Erläuterungen und Rollenspiele hinaus auch Möglichkeiten zur Selbstbehauptung in einem praktischen Training vermittelt.
Ein fester Bestandteil der kommunalen Kriminalprävention speziell für Kinder ist sowohl im örtlichen Bereich des Haus des Jugendrechts als auch stadtweit die „Aktion Gute Fee“. Gut erkennbare Anlaufstellen, sogenannte Rettungsinseln, z.B. Geschäfte, fördern die Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft.
Wir nehmen an Stadtteilveranstaltungen mit einem eigenen Stand mit Informationsmaterial für Eltern und Interessierte sowie einem Spiel- und Unterhaltungsangebot für Kinder und Jugendliche teil.
Die regelmäßige Mitwirkung in lokalen Gremien, wie Stadtteilrunden und Arbeitskreisen, pflegt und vertieft die Kontakte und ermöglicht die Mitarbeit an örtlichen Problemstellungen.
Projekte
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"Nachtwaldspiel – Cannstatt braucht Abenteuer, ein Stadtteil wächst zusammen“
Dieses fast jährlich durchgeführte, erlebnispädagogische Projekt trägt zum Abbau von Konkurrenzdenken und Rivalitätsverhalten zwischen den jungen Menschen in den Stadtteilen bei. Kooperationspartner sind die Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft und die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V.
"Knast kommt krass“
Das Projekt wurde 2003 in Zusammenarbeit mit der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart-Stammheim der Jugendhaus Gesellschaft und der Evangelischen Gesellschaft entwickelt. Seit 2011 ist das Seehaus Leonberg – Projekt Chance ein weiterer Kooperationspartner. Konzipiert für haftgefährdete junge Menschen wird in der JVA ein direktes Erleben der Innenwelt des Gefängnisses ermöglicht. Anschließend finden im Projekt Chance, einem „Jugendstrafvollzug in freien Formen“, Gespräche mit jungen Gefangenen statt. Ziel ist es, die Knastwelt zu entzaubern. Die Begleitung und Nachbetreuung zur Aufarbeitung des Erlebten und Steigerung der Nachhaltigkeit wird von der Sozialarbeit durchgeführt. Den Jugendlichen wird die Konsequenz weiterer Straffälligkeit aufgezeigt. Lebensperspektiven außerhalb der Kriminalität werden erarbeitet.Projekt RESPEKT!
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Polizeipräsidium Stuttgart hatten mit Sorge eine Zunahme von Straftaten von Jugendlichen zu Lasten von Polizeibeamten beobachtet. Solche Delikte werden sehr ernst genommen und entsprechend konsequent verfolgt. Frau Frömel-Grüsy von der Staatsanwaltschaft erklärt: „Wir überlegten, welche Möglichkeiten neben der Strafverfolgung dazu bei-tragen können, um solche Konfliktsituationen von Jugendlichen mit Polizeibeamten erst gar nicht entstehen zu lassen.“ Unter Berücksichtigung des im Jugendstrafrecht im Vordergrund stehenden Erziehungsgedankens wurde daher gemeinsam mit dem Jugendamt der Stadt Stuttgart im Haus des Jugendrechts das Projekt RESPEKT! entwickelt. Ziel des Projekts ist es, bei den Tätern in einem mehrtägigen Programm Polizeiarbeit verständlich und nachvollziehbar zu machen. Dadurch sollen diese in die Lage versetzt werden, polizeiliche Reaktionen auf ihr Verhalten besser vorhersehen und ihre eigene Verantwortung in Konfliktsituationen erkennen zu können.
Das Projekt besteht aus drei Terminen: einem Einzelgespräch im Jugendamt, einem Gruppentermin mit Staatsanwaltschaft und Polizei im Haus des Jugendrechts sowie einem Abschlussgespräch mit den Jugendlichen wiederum im Jugendamt. „Herzstück ist dabei der Gruppentermin, der ein Rollenspiel „Ruhestörung“ mit Perspektivwechsel beinhaltet. Jugendliche schlüpfen in die Rolle der Polizei. Die Polizisten und Staatsanwälte stellen eine Jugendgruppe dar. Die „Polizisten“ müssen die Gruppe nun zur Ordnung rufen“, erklärt Kriminalhauptkommissar Ritter. Im Anschluss tauschen sich die Parteien über das Erlebte aus. „Ein Zurücklehnen und Absitzen ist durch die ständige geforderte aktive Teilnahme nicht möglich.“ Wolfgang Schlupp-Hauck, Sozialarbeiter des Jugendamtes bei den Ambulanten Maßnahmen der Jugendhilfe im Straf-verfahren ergänzt: „Eine Fragerunde bietet den Jugendlichen die Möglichkeit ihre Anliegen einzubringen.“ „Wichtig bei der Durchführung des Projektes war uns, dass sowohl die Polizei in ihrem täglichen Handeln als auch die Jugendlichen Verständnis für die jeweils andere Seite entwickeln,“ so Ritter weiter.
Die Teilnahme ist dabei völlig freiwillig und beschränkt sich grundsätzlich auf Ersttäter von Beleidigung, aber auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, solange dabei keine Polizeibeamten vorsätzlich verletzt wurden. Als Diversionsprojekt wird das Ermittlungsverfahren nur bei erfolgreichem Abschluss des Programms im Anschluss eingestellt; ansonsten wird Anklage gegen den Beschuldig-ten bei Gericht erhoben.
Das Projekt RESPEKT! wurde in zwei Durchgängen im Februar 2017 und November 2017 im Zuständigkeitsbereich des Haus des Jugendrechts (Stadtbezirke Bad Cannstatt, Münster, Zuffenhausen, Stammheim, Mühlhausen, Feuerbach, Weilimdorf, Unter- und Obertürkheim) bereits erfolgreich erprobt.
Schlupp-Hauck resümiert: „Wir waren über die Initiative der Staatsanwaltschaft erfreut, haben gerne mitgewirkt und haben in einer Evaluation festgestellt: Die Rückmeldungen aller Beteiligten waren ausschließlich positiv“.Aufgrund der positiven Resonanz hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gemeinsam mit dem Polizeipräsidium und dem Jugendamt Stuttgart beschlossen, das Projekt RESPEKT! auf das gesamte Stadtgebiet zu erweitern.
"Netzgänger"
Delinquentes Verhalten von Jugendlichen im NetzDas Projekt richtet sich in erster Linie an Jugendliche/Heranwachsende, die im Zusammenhang mit der Nutzung neuer Medien straffällig geworden sind.
Ziel des Projektes ist es, mit den delinquent gewordenen Jugendlichen die Gefahren und Risiken der Nutzung des Internets dahingehend aufzuarbeiten, dass bei ihnen Unrechtseinsicht entsteht und die Täter lernen, sich in die Folgen einzufühlen, die ihre Tat für die Opfer hatte oder gehabt haben könnte. So sollen gleichartige Straftaten für die Zukunft zu verhindert werden.
Die eintägige Schulung hat folgende Elemente:
- eine persönliche Auseinandersetzung mit den Taten
- Erkennen der Wirkung des Virtuellen, vor allem mit Blick auf die Geschädigten
- Lernen der Rechtslagen im Netz
- Erlernen einer sinnvollen und niemanden schädigenden Nutzung des Netzes
- Kennenlernen weiterer Hilfsangebote im NetzSie setzt sich aus einer Mischung von Frontalunterricht (z.B. rechtliche Grundlagen) , Austausch im Plenum, Gruppenarbeit, Vertrauensübungen (Sensibilisierung für die Wirkung der eigenen Tat) und Rollenspielen zusammen.
Netzgänger wurde in Zusammenarbeit zwischen HJR Stuttgart und der Medienakademie Baden-Württemberg entwickelt.
Finanzierung
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Der Finanzrahmen jedes der bisher durchgeführten Präventionsprojekte liegt bei durchschnittlich 10.000 Euro. Die Projekte wurden durch die Landesstiftung Baden-Württemberg mit einer finanziellen Starthilfe gefördert.
Gerade im präventiven Bereich sind längerfristige, breit vernetzt angelegte Projekte ein wichtiger Baustein zum Aufbau einer konfliktarmen Stadtteilkultur.
Prävention ist oftmals nur schwer messbar. Rückmeldungen von Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen bestätigen uns immer wieder den richtigen Ansatz und das positive Wirken unserer dynamischen Präventionsarbeit. So werden wir darin bestärkt, mit nicht nachlassender Motivation unsere Präventionsangebote weiter am Puls der Jugend zu entwickeln.